Neue Bemessungsansätze
nach EC6 und EC8 – Ergebnisse des EU-Forschungsprojektes
ESECMaSE Mauerwerk
unter Erdbebenbeanspruchung Von
März 2004 bis März 2008 wurde von 26
Partnern aus sieben europäischen Ländern
ein umfangreiches europäisches Forschungsprojekt
ESECMaSE - „Enhanced Safety and Efficient
Construction of Masonry Structures in Europe“
bearbeitet, dessen nun vorliegende Ergebnisse
neue Erkenntnisse
zum Verhalten von Mauerwerk unter zyklischen Horizontallasten
ermöglicht.
Dieses Projekt wurde im Zuge des 6. Forschungsrahmenprogramms
der Europäischen Union zur Förderung
der Forschung von klein- und mittelständischen
Unternehmen mitfinanziert und ist – den
Förderungsrichtlinien entsprechend –
aus Industrieverbänden, klein- bzw. mittelständischen
Unternehmen
und Forschungsstellen zusammensetzt.
Für Österreich sind die Verbände
VÖZ und VÖB
beteiligt,
als Forschungsstätte arbeitet das Ziviltechnikerbüro
Dr. PECH mit den deutschen Universitäten
München, Kassel, Dresden und Braunschweig
sowie Instituten in Italien, den Niederlanden
und Griechenland zusammen.
Im Zuge der erst in letzter Zeit ins allgemeine
Bewusstsein gerückten Problematik der Erdbebengefährdung
unserer Baustrukturen wurden auch durch Versuche
abgesicherte Nachweisverfahren benötigt.
Speziell mit den heute definierten Ansätzen
der Erdbebeneinwirkungen lassen sich rechnerische
Nachweise oft nicht erfolgreich führen.
Aus dieser Situation resultieren wirtschaftlichen
Nachteile für eine Vielzahl an Unternehmen,
die mit dem Bauen von traditionellen Mauerwerksbauten
befasst sind und es ist diese Situation auch technisch
äußerst unbefriedigend.
Das Ziel von ESECMaSE war, das
gesamte Spektrum der Thematik
Mauerwerk unter Horizontalkräften zu erfassen,
also sowohl die relevanten Baustoffeigenschaften
als auch die notwendigen Prüfverfahren sowie
das Bemessungsmodell zu beleuchten.
Wesentliche Aufgaben und deren Ergebnisse waren
bzw. sind
die Identifizierung und Verbesserung der relevanten
Baustoffeigenschaften. Beispielsweise erhöht
eine verbesserte Ziegelgeometrie die Spaltzug-
und Längsdruckfestigkeit, geht geringfügig
zu Lasten der Steindruckfestigkeit und bringt
im zyklischen Wandversuch eine verbesserte aufnehmbare
Kopfverschiebung.
Sie hat jedoch nur einen untergeordneten Einfluss
auf die Schubtragfähigkeit der Wand. Der
Hauptparameter in der Nachweisführung bleibt
damit die Steindruckfestigkeit.
Eines der Hauptprobleme der Vergangenheit war
die Verwendung von unterschiedlichen Prüfanordnungen
zur Ermittlung der Schubtragfähigkeit von
Mauerwerkswänden, die einen Vergleich der
Ergebnisse schwierig machten.
Die nun entwickelte Anordnung, die auch zu einem
europäischen Normprüfverfahren führen
soll, zeichnet sich durch die praktische Umsetzung
der eindeutigen Definition der Momentenfreiheit
in Scheibenmitte aus.
Statisch-zyklische Versuche an Mauerwerksscheiben
mit unterschiedlichen Materialien, Normalkraftniveaus
und Wandlängen ergaben, dass die Mörtelart
und in beschränktem Rahmen auch die Mörteldruckfestigkeit
von
untergeordnetem Einfluss auf die horizontale Wandtragfähigkeit
sind und nur die Kopfverschiebung beeinflussen.
Das dominierende Versagenskriterium bei höheren
Vertikallastniveaus war das Druckstrebenversagen,
der zugehörige Materialparameter damit die
charakteristische Mauerwerksdruckfestigkeit.
Mit zunehmender Auflast nahm die Horizontalkraft-Tragfähigkeit
zu, wobei die Verschiebungen abnahmen und das
Bruchbild auf Druckversagen bzw. Querzugversagen
in der Druckstrebe hinwies.
Basierend auf den Versuchsergebnissen wurden zwei
Vorschläge zur Modellierung des Wandtragverhaltens
und der Versagensformen entwickelt, die beide
eine Weiterentwicklung der vorhandenen Ansätze
sind.
Das einfachere Modell beschränkt die Materialparameter
auf die immer verfügbare charakteristische
Druckfestigkeit der Wand und die schon in den
Normen definierte Haftzug- und Haftscherfestigkeit
sowie den Reibungbeiwert.
Beide Rechenmodellvorschläge zeigen gute
Übereinstimmung mit den Versuchsergebnissen.
Es stellte sich jedoch heraus, dass die Rechenansätze
eine nur geringfügige Erhöhung gegenüber
den nach den bestehenden Vorgaben ermittelten
Tragfähigkeiten ergaben und Verbesserungen
hauptsächlich
im Bereich des höheren Normalkraftniveaus
liegen.
Offenbar ist die Betrachtung der Einzelwand als
ebene Scheibe, wie in den Versuchen geprüft,
für die Wirkung in einem dreidimensional
wirkenden Gebäude nicht ausreichend. Reserven
aus der Verbindung mit Querwänden können
derzeit noch nicht qantifiziert werden.
Zusätzlich ergab eine Auswertung der Verschiebeduktilität
der einzelnen Versuchskörper, dass ein höherer
Abminderungsfaktor der Einwirkungen
( „Verhaltensbeiwert“) als der bislang
im Eurocode 8 angesetzte Mindestwert
von 1,5 zu argumentieren wäre.
Deshalb wurde eine Anhebung des Verhaltensbeiwertes
auf bis zu 2,5 bei niedrigem Normalkraftniveau
vorgeschlagen.
Dynamische Großversuche an einem Gebäude
im Maßstab 1:1 zeigen auch praktisch ausreichende
Tragfähigkeitsreserven.
Die durchgeführten Untersuchungen lieferten
experimentelle sowie theoretische Erkenntnisse,
die maßgeblich zu einer zutreffenderen Beurteilung
und Beschreibung des Tragverhaltens von Mauerwerk
bei Horizontalbeanspruchung aus Erdbeben (aber
auch aus Wind) beitragen.
Es zeigte sich, dass in den baupraktisch wichtigsten
Anwendungsbereichen im Mauerwerk zwar Schubtragfähigkeitsreserven
in einer Größenordnung von
um 10 % vorliegen und die bisherigen Schubbemessungskonzepte
des EC 6
bzw. die Hinweise des EC 8 dahingehend überdacht
werden sollten,
die tatsächlichen wesentlichen Reserven aber
in einer besseren
Berücksichtigung der energiedissipierenden
Verformungen der Wandscheiben
und in den somit geringeren einwirkenden Kräften
liegen.
Dipl.-Ing. Paul Kubeczko
VÖB - Verband Österreichischer Beton-
und Fertigteilwerke, Wien
Dipl.-Ing. Dr. Anton Pech
Ziviltechnikerbüro Dr. Pech, Wien
Dipl.-Ing. Norbert Prommer
VÖZ - Verband Österreichischer Ziegelwerke,
Wien, Linz
Dipl.-Ing. Dr. Franz Zach
Ziviltechnikerbüro Dr. Pech, Wien
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